Freitag, 5. März 2021

Rezension - Elbleuchten (Lesemonat Februar)

 „Elbleuchten“ von Miriam Georg 

ISBN: 978-3-499-00344-8 / Verlag: Rowohlt / Seitenanzahl: 640


Wenn ein einziger Moment alles auf den Kopf stellt...


Hamburg 1886. Wir lernen Lily kennen, die ein Töchterchen aus reichem Hause ist und ein wohlbehütetes und unbeschadetes Leben führt. Als ein Arbeiter ihretwegen allerdings das Leben verliert und zuvor schwer verletzt wird stellt sich ihre Welt auf den Kopf.


Sie lernt den Arbeiter Jo kennen, der ihr hilft die Familie des Arbeiters zu unterstützen und ihre Welt gerät aus den Fugen. Lily lernt plötzlich die andere Seite von Hamburg kennen. Die Seite, die kein Geld hat

und keine reiche Familie, die sie beschützt. Als sie dann auch noch Emma kennen lernt, eine neue Mitschülerin aus England die dort Medizin studiert hat, ist alles anders. In Hamburg wäre es niemals möglich Medizin zu studieren als Frau und auch die Ansichten der Männer geraten immer mehr ins Wanken. Früher hat Lily nie etwas hinterfragt und war glücklich und zufrieden. Jetzt fängt sie an zu hinterfragen, zu lesen, zu lernen und sieht das wahre Leben, wie es tatsächlich ist, endlich vor sich. 


Von der neuen Lily, mit neuen Ansichten, darf ihre Familie eigentlich nichts wissen. Doch kann sie ihr Leben normal weiterführen, nachdem sie Jo kennen gelernt hat, nachdem sie Emma kennen gelernt hat, nachdem sie die echte Welt gesehen hat?


Wir erleben den Wandel der Ansichten von Lily und das ist unglaublich beeindruckend.


Frauen hatten damals nichts zu sagen, ihre Gehirne wären kleiner als die der Männer, sie könnten Sachen nicht so verstehen wie Männer, und so weiter und sofort. Ich weiß dass es früher so war, aber es in diesem Buch so zu lesen hat mich wirklich oft den Kopf schütteln lassen. Die Autorin hat es geschafft, dass wir sofort in diese Welt eintauchen und mit Lily immer fassungsloser wurden, wie „wir“ als Frauen behandelt wurden. Lily fand dies schon immer so seltsam einerseits, aber andererseits war’s ihr Leben und sie hat es nicht hinterfragt. Erst durch dieses bestimmte Ereignis in ihrem Leben hat sie angefangen Fragen zu stellen, hat die Augen aufgemacht und hat sich getraut Fragen zu stellen. Natürlich ist sie auf viel Widerstand gestoßen. Ich musste immer wieder mit dem Kopf schütteln, wenn ich die Reaktion der Familie gesehen habe. 


Auch wenn das Buch eine fiktive Geschichte ist und vielleicht nicht alles zu 100 % historisch korrekt ist ist der Geist der Zeit gut erfasst. Wir sehen die armen Seiten Hamburgs und leiden mit den Kindern, mit den Frauen, mit den Menschen. Sei’s die Arbeitsbedingungen, oder die Lebensbedingungen es ist einfach traurig wie Menschen früher leben mussten. Es zeigt einmal mehr, dass man froh sein kann, in der heutigen Zeit zu leben. Erschreckend fand ich auch, wie mit Kranken umgegangen worden ist. Der kleine Bruder von Lily ist von Geburt an krank, vielleicht das Down-Syndrom? Und wird als Aussätziger behandelt. Keiner darf wissen, dass es ihn gibt. Ansonsten ist das gesellschaftliche Leben der Familie gefährdet. Es ist einfach traurig dass Kinder die krank waren oder Menschen die krank wurden einfach weg gegeben wurden wie Tiere oder ich weiß nicht wie. Das Buch hat mich wirklich tief berührt und getroffen und ich hatte irgendwie etwas ganz anderes erwartet.


Der Schreibstil der Autorin ist super flüssig und einladend. Man fängt an und möchte weiterlesen, die ganze Zeit. Obwohl das Buch sehr dick ist mit 640 Seiten zieht es sich überhaupt nicht. Zudem gibt es so viele interessante Charakter, die man nach und nach besser kennenlernt. Wir erleben die Geschichte nicht nur aus Lilys Sicht, sondern auch aus Sicht der anderen. Dies ist aber nicht störend oder irritierend, sondern genau die richtige Mischung! 


Ich freue mich im April auf Band 2! 


Mein Fazit: 5 von 5 möglichen 💜💜💜💜💜

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